Wenngleich in vielen Gesellschaften Muslime und Nichtmuslime schon länger zusammen leben, ist es leider immer noch so, dass sie keine genaue und umfassende Kenntnis voneinander haben. Vor allem die Nichtmuslime haben oftmals wenig Kenntnis von den Muslimen, so dass sie zuweilen auch der Meinung sind, Weihnachten hätte für die Muslime keine Bedeutung, obwohl Jesus (a.s.) für uns Muslime eine besondere und heilige Persönlichkeit ist. Deshalb möchte ich nachfolgend eine kurze und zusammenfassende Darstellung von Jesus (a.s.) aus der Sicht des Heiligen Qur’an geben.

Jesus (a.s.) aus der Sicht des Heiligen Qur’an

Im Heiligen Qur’an ist von einigen von Gott auserwählten Persönlichkeiten und deren Besonderheiten die Rede. Jesus (a.s.) hat einen solchen hohen Rang, und in mehr als einhundert Qur’anversen und in unzähligen Überlieferungen der islamischen Tradition ist von ihm die Rede. Das Bild, das der Heilige Qur’an von Jesus zeichnet, macht deutlich, dass er in der Geschichte der Menschheit eine besondere Persönlichkeit mit außergewöhnlichen Charaktereigenschaften war.

Seine besondere Stellung wurde bereits bei seiner Geburt ersichtlich. Seine Mutter, die heilige Maria (a.s.), die diesen Knaben auf die Welt bringen sollte, hat die traditionellen Strukturen zu ihren Lebzeiten umgeformt. Im Gegensatz zu der falschen Überzeugung der Menschen jener Zeit, wonach Frauen der Dienst in heiligen Stätten nicht erlaubt war, hat sie ihre gesamte Kindheit im Tempel verbracht. Durch ein Wunder Gottes hat sie Jesus (a.s.) auf die Welt gebracht; die Zeit ihrer Schwangerschaft[1] und der Geburt Jesu (a.s.) geht einher mit Wundern, wie dem Herabfallen reifer Datteln[2], oder dem Fließen eines kleinen Bächleins zu ihren Füßen[3], das Sprechen Jesu (a.s.) in der Wiege und das Eintreten für seine Mutter und seine Verteidigung ihrer Reinheit und Heiligkeit gegenüber der Verunglimpfung einiger Frauen[4] und denjenigen, die Maria (a.s.) verleumdeten[5] – dies alles sind die Besonderheiten, die für
keinen anderen von Gott auserwählten Menschen im Heiligen Qur’an genannt werden, sondern der Qur’an nennt diese Besonderheiten einzig im direkten Zusammenhang mit Jesus (a.s.).

Aus qur’anischer Sicht ist Gott nicht getrennt vom Menschen und sein Freund, denn das Wesen des Menschen und seine Identität haben eine göttliche Natur[6], und es gibt keine Trennung zwischen Gott und Mensch. Vater und Sohn haben normalerweise eine enge und liebevolle Beziehung zueinander, aber letztlich ist der Sohn nicht der Vater und umgekehrt; beide sind zwei voneinander getrennte Wesen. Das göttliche Wesen des Menschen negiert jedoch jegliche Getrenntheit von Gott. Der Mensch kann vielmehr seinen Abstand zu Gott verringern und beseitigen, wenn er sein ihm innewohnendes göttliches Wesen entdeckt und manifestiert. Im Heiligen Qur’an setzt sich Gott an die Stelle des Menschen und schreibt sich sogar die schwächste Eigenschaft des Menschen, nämlich „Bedürftigkeit“ zu, und Er erwähnt, dass die Hilfe für einen bedürftigen Menschen der Hilfe für Gott entspricht.[7] Aber diese Einigkeit von Gott und Mensch ist nicht gleichbedeutend mit einer Materialisierung (d. h. Materie werden) Gottes, sondern sie geht zurück auf das wahre Wesen des Menschen, das ein göttliches Wesen ist. Jeder Mensch, der diese Wahrheit kennt und diese Wahrheit entdeckt, bekommt die göttlichen Eigenschaften, und je größer seine Kenntnis wird, desto deutlicher manifestieren sich diese göttliche Wahrheit und die göttlichen Eigenschaften im Menschen.

Der Mensch, der einen hohen Rang der Vervollkommnung erreicht, kann den Abstand zwischen sich und Gott beseitigen und alle göttlichen Eigenschaften in sich verwirklichen. Der Weg zur Vervollkommnung und zum Göttlichwerden steht allen Menschen offen, aber es gab im Laufe der Geschichte nur ganz wenige Ausnahmen, die diesen höchsten Rang erreicht haben, und aus der Sicht des Heiligen Qur’an ist Jesus (a.s.) die größte dieser Ausnahmen in der Geschichte. Die Heilung von Aussätzigen[8], die Bekanntgabe des Verborgenen[9] oder die Herabsendung von Essen[10] sind göttliche Eigenschaften, die in Jesus manifest wurden, und von denen der Qur’an spricht. Die wichtigste Eigenschaft Gottes ist das zum Leben erwecken und Sterben lassen[11], und aus den islamischen Quellen geht klar hervor, dass Jesus (a.s.) dies Fähigkeit hatte und die Toten wieder lebendig machte[12].

Die besondere göttliche Eigenschaft, an der wir Gott erkennen, ist die Eigenschaft des Schöpfers und die Schöpfung selbst. Im Qur’an wird in einigen Versen darauf hingewiesen, dass Jesus (a.s.) auch diese göttliche Eigenschaft hatte. Er hat aus Lehm Figuren geformt und ihnen dann Leben eingehaucht, so dass sie davon fliegen konnten.[13]

Außer für Jesus (a.s.) werden im Heiligen Qur’an für keinen anderen von Gott auserwählten Menschen vergleichbare Besonderheiten nachgewiesen. Aus der Sicht des Heiligen Qur’an ist Jesus (a.s.) nicht Gott, sondern der eine und einzige Gott, der alle Menschen erschaffen hat, hat auch Jesus (a.s.) erschaffen. Aber Jesus (a.s.) ist insofern besonders ausgezeichnet, als er die höchste Ebene der Vollkommenheit, d. h. die vollkommene Erscheinung Gottes in Form aller göttlichen Eigenschaften in sich erreicht hat.

Aus all diesem wird deutlich, dass Jesus für uns Muslime als heilig und großartig geehrt wird, und so ist es auch nur natürlich, dass sein Geburtstag auch für uns Muslime ein großes Fest ist. In einer Überlieferung vom Propheten des Islam (s.a.s.) wird als Grund für die besondere Würdigung des Freitags als großer und gesegneter Tag im Islam der Geburtstag Jesu genannt, der auf einen Freitag gefallen ist.[14]

Friede war über ihm an dem Tag, an dem er geboren wurde, und Friede war über ihm an dem Tag, an dem er zu Gott zurückkehrte, und Friede wird über ihm sein an dem Tag, an dem er wieder auferstehen wird.[15] Und der Friede sei mit euch und die Gnade Gottes und Seine Segnungen.


Anmerkungen:

[1] Sure Maryam (19), Verse 16-19.

[2] Sure Maryam (19), Vers 25.

[3] Sure Maryam (19), Vers 24.

[4] Sure Maryam (19), Verse 29-30.

[5] Gemäß den Evangelien blieb er angesichts dieser Verleumdung still und unternahm nichts zur Verteidigung der Heiligkeit Marias (a.s.).

[6] S. Sure al-hijr (15), Vers 29.

[7] S. Sure al-Baqara (2), Vers 245; Sure al-Ma’ida (5), Vers 12 und Sure al-hadid (57), Vers 11.

[8] Sure Al-i Imran (3), Vers 49.

[9] Ebd.

[10] Sure al-Ma’ida (5), Verse 112-114.

[11] „Er macht lebendig und lässt sterben…“; Sure Yunus (10), Vers 56.

[12] S. Furu kafi, Bd. 1, S. 72; Ibn  al-Ayir: Al-Kamil fi-l-tarih, Bd. 1, S. 315.

[13] Sure Al-i Imran (3), Vers 49.

[14] In einer ausführlichen Überlieferung von Imam Musa al-Kazim (a.s.), dem achten schiitischen Imam und Nachkommen des geehrten Propheten des Islam (s.a.s.), wurde dies erläutert: „Maryam (a.s.) wurde an einem Freitagmittag schwanger. An diesem Tag kam der vertrauenswürdige Geist (Gabriel) zur Erde, und für die Muslime gibt es kein schöneres Geschenk. Gott, der Erhabene, hat diesen Tag als großartigen Tag gezählt, und auch Muhammad (s.a.s.) hat ihn als großartig gezählt und angeordnet, dass dieser Tag als Festtag gezählt wird, und dieser Tag ist der Freitag. (Al-Kulayni: Al-Kafi, Bd. 1, S. 478).

[15] Im Heiligen Qur’an spricht Jesus: „Und Friede war über mir an dem Tage, als ich geboren wurde, und (Friede wird über mir sein) an dem Tage, wenn ich sterben werde, und an dem Tage, wenn ich wieder zum Leben erweckt werde.“

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