Der 24. Dezember ist der Geburtstag von zwei großen göttlichen Persönlichkeiten, nämlich zum einen der Geburtstag des großen göttlichen Propheten Jesu (Friede sei mit ihm) und zum anderen der Geburtstag des achten Imams von uns Muslimen, Imam Rida (Friede sei mit ihm).

In diesem Zusammenhang ist es interessant, zu wissen, dass in einer islamischen Überlieferung von Imam Rida berichtet wird, dass der Geburtstag des Messias im Mondmonat id-ul Adha an einem Freitag stattgefunden hat. Deshalb ist der Freitag für uns Muslime ein gesegneter Festtag.

Das Zusammentreffen dieser beiden Geburtstage kann zugleich Anlass und Symbol für viele Gemeinsamkeiten zwischen Islam und Christentum sein und trägt die Botschaft der freundlichen Koexistenz und Freundschaft der Anhänger dieser zwei großen abrahamitischen Religionen.

Auch für uns Muslime ist das Weihnachtsfest, das an die Geburt des Messias erinnert, ein Festtag. In Überlieferungen von großen islamischen Autoritäten wird berichtet, dass der Tag, an dem Maria Jesus zur Welt brachte, ein Freitag war. An jenem Tag ist der vertrauenswürdige Gabriel auf die Erde gekommen und hat gesagt, dass es für die Muslime kein wichtigeres Fest gibt als diesen Tag, und dass Gott diesen Tag als einen großartigen Tag bezeichnet hat; und Prophet Muhammad hat diesen Tag zu einem großen Tag für die Muslime erklärt und ihnen gesagt, dass sie diesen Tag als Festtag begehen sollen. Deshalb kann man zum Weihnachtsfest nicht nur den Christen gratulieren, sondern der Geburtstag von Jesus ist auch für uns Muslime ein gesegneter Festtag.

Abgesehen davon, dass wir Muslime zwischen uns und dieser Gesellschaft keine Trennung sehen, fühlen wir uns dieser Gesellschaft gegenüber verantwortlich, teilen Freuden und Schwierigkeiten dieser Gesellschaft und empfinden Mitgefühl. Mit den Anhängern der anderen Religionen friedlich zusammenzuleben ist eine der wichtigsten Lehren und Empfehlungen im Qur’an. Der Islam entstand in einer Umgebung, in der nicht nur viele Religionen präsent waren, sondern wo es auch viele arabische Stämme gab, die Anhänger keiner Religion und ungläubig waren. Aus diesem Grund haben der Islam und die Muslime von Anfang an Erfahrungen für ein friedliches Zusammenleben mit Anhängern verschiedener Religionen und Nichtmuslimen gesammelt. Viele Qur’anverse erläutern dieses Grundprinzip der friedlichen Koexistenz im Unterschied zu manchen falschen und unwahren Vorstellungen. Aus qur’anischer Sicht basiert die Koexistenz der Menschen miteinander nicht nur auf Gemeinsamkeiten im Glauben und in der Religion. Ethik und Menschenrechte an sich reichen alleine für die Etablierung einer großen menschlichen Gesellschaft und friedlichen und freundschaftlichen Verbindung zwischen den Menschen aus. Der einzige Grund, der die friedliche Koexistenz der Menschen stören kann, ist die Anwendung von Gewalt und die Missachtung der Rechte der Anderen; abgesehen davon ist jeder, gleich welchen Glauben oder welche Überzeugung er hat, und sofern er keine feindlichen Absichten hegt und Anderen nicht schaden will, ein Mitglied der menschlichen Gesellschaft, mit dem man freundlich und fromm umgehen sollte.

Der Qur’an formuliert in diesem Zusammenhang sehr klar und deutlich ein grundsätzliches Gesetz und gebietet den Muslimen, mit allen Menschen mit Freundlichkeit, Frömmigkeit und Gerechtigkeit zu verfahren, ausgenommen jene Fälle, in denen jemand mit Gewalt die Rechte der anderen beeinträchtigt und andere Menschen verletzt (vgl. Sure al-Mumtahana, Vers 7).

Wenn die Menschen gläubig und Anhänger einer abrahamitischen Religion wie Judentum oder Christentum sind, wird diese Verbindung und Beziehung besser und enger. Die Koexistenz der Menschen und insbesondere die Koexistenz der Anhänger der abrahamitischen Religionen ist aus qur’anischer und islamischer Sicht niemals eine Taktik oder politische Methode, die aus einer Not heraus angewendet wird, sondern es ist ein Prinzip und Ziel, das auf der göttlichen Offenbarung und Lehre basiert. Das Konzept, das der Islam für die Koexistenz der Anhänger der Religionen vorsieht, wird getragen vom Zusammenleben und zwar einem friedlichen Zusammenleben. Es ist folglich kein Konzept, das ein Zusammenleben wie z. B. zwischen zwei Nachbarn, die nebeneinander aber nicht miteinander leben, vorsieht. Obwohl im Islam die Unterschiede der Religionen berücksichtigt werden, wird die Koexistenz der Anhänger dieser Religionen betont, und es ist unter keinen Umständen erforderlich, dass man für diese Koexistenz auf seinen Glauben und seine religiöse Überzeugung verzichtet. Aus islamischer und qur’anischer Sicht sind die Gemeinsamkeiten der abrahamitischen Religionen vielmehr so zahlreich, tiefgehend und entscheidend, dass für die Bildung einer großen Familie – die große Familie der gläubigen Menschen, die an einen Gott glauben – viele Elemente zur Verfügung stehen. So sieht das islamische Konzept für eine Koexistenz der Anhänger der Religionen aus. Diese Koexistenz, von der der Islam spricht, basiert nicht auf der Entstehung von zwei Familien nebeneinander bzw. einer Parallelgesellschaft, sondern es ist eine Gesellschaft, die aus unterschiedlichen Elementen und Gliedern besteht und in der die Gläubigen und Anhänger der Religionen ein Glied darstellen. Das steht nicht im Widerspruch zu der Tatsache, dass die Anhänger jeder Religion mit ihrer jeweils besonderen gemeinsamen religiösen Tradition eine besondere Beziehung untereinander haben. In diesem Sinne fühlen sich z. B. Muslime, Christen und Juden, die unter sich jeweils eine Gemeinschaft bilden, sich dieser gegenüber verantwortlich fühlen und ihren besonderen religiösen Zeremonien treu sind, gleichzeitig wie die Mitglieder einer Familie, die freundlich und herzlich miteinander umgehen. So hat Prophet Muhammad eine Verfassung und ein Gesetz für die Menschen in Medina geschaffen, wo die Mehrheit Muslime waren und die Juden, obwohl sie eine Minderheit darstellten, wie die Muslime als ein wesentliches Glied dieser Gesellschaft angesehen und gezählt wurden, und in der Muslime, Juden und Christen insgesamt zu einer geeinten Gemeinschaft erklärt wurden. D. h. die Anhänger aller Religionen waren unter Bewahrung ihrer Religion, also der Muslim mit seinem Islam, der Christ mit seinem Christentum und der Jude mit seinem Judentum, ein Teil einer größeren Gesellschaft. Es verhielt sich keineswegs so, dass jede Gruppe für sich eine Gesellschaft oder Parallelgesellschaft gegründet hat oder eine von ihnen mit dem Argument des Minderheitenstatus von der Gesamtheit der Gesellschaft isoliert worden wäre. Der Prophet des Islam hat die Tatsache, dass die Muslime die Mehrheit bildeten, niemals als ein Argument benutzt, auf dessen Grundlage die Minderheiten wie Christentum und Judentum von der Gesamtheit der Gesellschaft zu trennen wären. Prophet Muhammad (s.a) und andere große islamische Autoritäten haben in ihrem gesellschaftlichen Umgang und ihren sozialen nicht den geringsten Unterschied gemacht zwischen einem Muslim, einem Juden oder einem Christ. Dies geschah in einer Zeit, in der die Muslime die gesellschaftliche Mehrheit stellten und Prophet Muhammad wie auch andere religiöse Autoritäten mächtig waren. Prophet Muhammad und seine Nachfolger, wie z. B. Imam Ali (Friede sei mit ihm) haben mit Christen und Juden wie mit Muslimen freundschaftliche und herzliche Beziehungen gehabt und sie sehr respektvoll behandelt. So hat z. B. der Prophet den Leichnamen von religiösen Minderheiten seine Ehre erwiesen und die Trauernden seiner Anteilnahme versichert. Imam Ali hat in einer Zeit, da er die absolute politische Macht besaß und viele islamische Gebiete zu seinem Herrschaftsbereich gehörten, einmal eine Reise unternommen, wobei ihn ein Angehöriger einer religiösen Minderheit begleitete. Bei dieser Gelegenheit entstand zwischen diesem Mann und Imam Ali eine Freundschaft, so dass an der Stelle, an denen sich ihr Weg trennen sollte und jeder eine andere Richtung einzuschlagen hatte, Imam Ali aus Achtung vor dieser Person und als Zeichen seiner Freundschaft diesen Mann einen Teil seines Weges begleitete, bevor er umkehrte und seinen eigenen Weg fortsetzte (s. Usul al-Kafi, II, S. 670.) Es ist selbstverständlich, dass diese Freundlichkeit und Herzlichkeit seitens Imam Alis für einen Nichtmuslim auf dieser tiefen inneren Überzeugung gründet, die ihre Wurzel in den islamischen und qur’anischen Lehren hat.

Das Konzept der Koexistenz basiert aus Sicht des Islam auf Freundlichkeit und Herzlichkeit, wobei Muslime und Nichtmuslime als Glied einer Familie in einer Gesellschaft verbunden werden. Gleichzeitig darf dieses Zusammenleben jedoch nicht als Nichtbeachtung von Glaubensüberzeugungen und religiösen Vorschriften verstanden werden. Muslime, Christen und Juden können ihrem Glauben und ihren religiösen Werten in einer Gesellschaft treu bleiben, und der Qur’an erwähnt und betont für die Muslime, dass die Praktizierung der islamischen Vorschriften nicht zur Entfernung von der Gesellschaft, Trennung von der Gesamtheit der Gesellschaft und Störung der Beziehungen und herzlichen und freundlichen Verbindungen mit den Anhängern anderer Religionen führen darf. So sind beispielsweise Muslimen manche Speisen und Getränke verboten, wie auch andere Religionen, z. B. das Judentum, derartige Traditionen und Vorschriften kennen. Aber der Qur’Án empfiehlt, dass diese besonderen Vorschriften die Verbindung zwischen Muslimen und Nichtmuslimen nicht stören und die Freundlichkeit, Herzlichkeit und Einheit in der Gesellschaft nicht angreifen sollen, so dass nicht der Gedanke entsteht, keine Verbindung mit Nichtmuslimen aufzunehmen, die diese Vorschriften nicht haben, um damit dieses Problem zu beseitigen. Grundsätzlich heißt es, dass die Speise der Christen und Juden für die Muslime erlaubt ist und umgekehrt ist die Speise der Muslime auch für jene erlaubt (vg. Sure al-MÁ’ida, Vers 5).

Interessant ist im Hinblick auf diesen Vers, dass dieses gegenseitige „füreinander erlaubt sein“ betont wurde. D. h. es wurde betont, dass das Essen von Anhängern der anderen Religionen für die Muslime und umgekehrt das Essen der Muslime für die Anhänger der anderen Religionen jeweils erlaubt ist. Diese Erlaubnis hätte auch nur einseitig ausgesprochen werden können, d. h. dass z. B. die Speise von Christen und Juden für Muslime erlaubt ist; aber der Qur’an geht darüber hinaus und sagt weiter, dass das Essen von Muslimen für sie auch erlaubt ist. Das ist ein deutlicher Hinweis darauf, dass den Muslimen Freundlichkeit und Herzlichkeit im Umgang mit Nichtmuslimen nahe gelegt wurde und diese freundliche und herzliche Verbindung gegenseitig sein soll; um diese Gegenseitigkeit zu verdeutlichen erwähnt der Qur’an, dass die Muslime mit den Christen und Juden essen und umgekehrt die Christen und Juden mit den Muslimen essen sollen. Das verdeutlicht, wie sehr der Qur’an die Muslime unter Bewahrung ihrer islamischen Identität zur Freundlichkeit und Beziehung mit Nichtmuslimen motiviert. Dies widerlegt den Gedanken, dass Muslim sein und die Praktizierung der islamischen Vorschriften notwendigerweise eine Abtrennung von der Gesamtheit der Gesellschaft und die Gründung einer Parallelgesellschaft erforderlich mache. Mit der Gesamtheit der Gesellschaft und Juden und Christen einen herzlichen Umgang zu pflegen ist eine qur’anische Lehre und für einen Muslim notwendig.

Es scheint, als bedürfe die menschliche Gesellschaft in unserer Epoche eines Konzeptes der Koexistenz, das Prophet Muhammad vor 1500 Jahren, in der Zeit des Mittelalters, geprägt hat, eines Konzeptes, das ungeachtet aller zivilisatorischen und menschenrechtlichen Ansprüche in der heutigen Welt in vielen Fällen nicht nur unberücksichtigt bleibt, sondern in sein genaues Gegenteil verkehrt und so praktiziert wird.

Wir hoffen, dass eine Zeit kommen wird, in der allen religiösen Minderheiten, wie z. B. Muslimen, in allen Gesellschaften alle Rechte zugestanden werden und nicht, weil sie Muslime sind und dem muslimischen Glauben angehören, Diskriminierungen erfahren, beschimpft werden oder sich gewissen Hindernissen in der Gesellschaft gegenübersehen. Eine ideale menschliche Gesellschaft ist eine Gesellschaft, in der die Minderheiten als wesentlicher Teil der Gesellschaft gezählt werden und nicht als zweit- oder drittrangig. Mögen wir uns im Sinne der Liebe und Freundschaft, die Jesus für die Menschen gebracht hat, und des Friedens, den Prophet Muhammad der Menschheit gebracht hat, und der Freiheit und Spiritualität, die Moses betonte, zur Realisierung einer solchen idealen Gesellschaft engagieren.

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